Neues Leben nach der DiTech-Pleite | DiePresse

Der ehemalige Chef des IT-Händlers DiTech, Damian Izdebski, wagt den Neustart. Mit Techbold installiert er IT-Netzwerke für Firmenkunden. An Österreich vermisst er eine Kultur des Scheiterns

Das große Strahlen in den Augen und die frenetische Euphorie, die frisch gebackene Unternehmer oft auszeichnen, sucht man bei Damian Izdebski vergeblich. Ernst sieht er aus und ein wenig blass. Für ihn bedeutet die Unternehmensgründung eine Rückkehr an den Start. Mit einigem Gepäck auf dem Rücken.

In den Nullerjahren hat Izdebski das IT-Handelsunternehmen DiTech aufgebaut. Eine Geschichte von schnellem Erfolg und rasantem Wachstum. Aus einem kleinen Laden im 20.Wiener Gemeindebezirk wurden innerhalb von 14 Jahren 22, österreichweit. Damian Izdebski und seine Frau, Aleksandra, wurden als Unternehmerpaar gefeiert und mit Preisen überhäuft. Im April 2014 schlitterte DiTech in die Insolvenz. Nach jetzigem Stand wird es einen Totalausfall für die Gläubiger geben: 24,9 Mio. Euro an anerkannten Forderungen können nicht bedient werden. So waren die einst hochgejubelten Izdebskis mit einem Schlag als Verlierer abgestempelt. Wie es in Österreich halt so üblich ist.

Jetzt, knapp ein Jahr nach der Pleite, wagt Damian Izdebski einen Neustart. Und das heißt für den einst erfolgsverwöhnten Unternehmer: wieder bei null beginnen. Mithilfe der „drei F“: family, friends and fools. Das Startkapital für sein neues Projekt, Techbold – „ein paar 10.000 Euro“ – hat er sich bei Familie und Freunden geholt.


Die Straßenseite gewechselt. Mit Techbold will Izdebski das Rad nicht neu erfinden. Er schließt vielmehr dort an, wo mit dem Ausscheiden von DiTech eine Lücke in den Markt gerissen wurde: beim Kundenservice. Unter dem Namen Techbold operieren zwei Firmen: Die Techbold Network Solutions plant und installiert IT- und Telefonnetzwerke für Firmenkunden. Gegründet wurde sie bereits im Sommer. Der zweite Geschäftszweig, die Techbold Hardware Services, bietet Reparaturdienste für mobile Geräte – Smartphones, Tablets und Laptops – und hat am Donnerstag eine erste Filiale in Wien in der Dresdnerstraße eröffnet – unweit des ehemaligen Firmensitzes von DiTech. Ein bescheidener Anfang. Um große Pläne zu schmieden, würden ihm schlicht die Mittel fehlen, sagt Izdebski. An Geld von Banken oder Investoren sei nicht zu denken.

Ganz kann Izdebski seine Enttäuschung nicht verbergen, auch wenn er Verständnis dafür hat, dass er bei den Geldgebern erst einmal Persona non grata ist. „Es wäre hilfreich, wenn die Umgebung einem beim Aufstehen helfen würde“, sagt er. Die ersten Monate nach der Pleite seien schlimm für ihn gewesen. „Es haben Leute die Straßenseite gewechselt, um nicht mit mir reden zu müssen.“ Natürlich seien da Selbstzweifel aufgekommen. „Ich habe mich gefragt, ob mein Erfolg nur Glück gewesen ist. Und gezweifelt, ob mir das noch einmal gelingen wird. Dabei habe er eigentlich keine andere Wahl. Als Angestellter bin ich nicht vermittelbar. Das Einzige, was ich machen kann, ist wieder etwas aufzubauen.“

Um sich aus der Negativspirale herauszuziehen, die ihn nach der Insolvenz erfasst hat, hat sich Izdebski eine Auszeit verordnet. Und Österreich den Rücken gekehrt. „Ich habe ein Ticket nach L.A. gebucht. One way.“


Auszeit im Silicon Valley. Im Silicon Valley habe er sich mit vielen Gründern und Investoren unterhalten. „Dort ist die Einstellung zum Scheitern eine ganz andere. Die erste Frage war immer: Was hast du daraus gelernt?“ In den USA hätten alle das große Ganze im Blick, den Weg des Unternehmens vom Aufbau bis zur Insolvenz. Während in Österreich nur mehr der Misserfolg gesehen werde. „In der Zeit habe ich mir einmal ausgerechnet, was ich an Positivem geleistet habe. Ich habe 30.000 Monatsgehälter und 30 Mio. Euro Lohnnebenkosten gezahlt.“

Scheitern werde in den USA als Chance begriffen: „Erst jetzt bist du ein vollständiger Unternehmer“, habe ein US-Investor zu ihm gesagt. Diese konstruktive Einstellung vermisst Izdebski in Österreich. „Es hätte die Möglichkeit gegeben, in den USA zu gründen. Ich habe mich aber entschlossen, nach Österreich zurückzukehren“, sagt Izdebski. Um sich zu rehabilitieren? „Das ist nicht die erste Motivation. Aber natürlich hat das Ego gelitten.“

„Wir alle können aus Misserfolgen wesentlich mehr lernen als aus Erfolgsgeschichten. Erfolge motivieren, doch Misserfolge weisen einem den Weg aus der Misere“, sagt Dejan Stojanović, Organisator der Fuck-up Night Vienna. Bei den Fuck-up Nights werden die Gescheiterten ins Rampenlicht gerückt. Und zwar nicht, um sie öffentlicher Häme preiszugeben, sondern um ihnen respektvoll zuzuhören und von ihnen zu lernen. Auf einer Fuck-up Night erzählen drei bis vier Vortragende die Geschichten ihrer unternehmerischen Bruchlandungen. Danach stehen sie dem Publikum Rede und Antwort.

Die Angst vor dem Scheitern sei in Österreich ziemlich stark ausgeprägt, sagt Stojanović. „Die Ironie der Geschichte ist, dass Investoren, Gründer und Vertreter von Förderstellen in einer mangelnden Kultur des Scheiterns das größte Hemmnis für das Unternehmertum sehen.“ 90 Prozent der Gründer sehen das laut „Austrian Start-up-Report 2013“ so. Dabei gehört das Scheitern zum Start-up-Leben dazu: Laut Erhebungen der Austria Wirtschaftsservice (AWS) scheitern im ersten Jahr zehn Prozent der Jungunternehmen, im zweiten 20. Nur 67 Prozent überleben das sechste Jahr.


Ungebremstes Wachstum. „Den einen entscheidenden Fehler hat es nicht gegeben“, sagt Izdebski in Bezug auf die DiTech-Pleite. Im Gespräch kristallisiert sich dann doch bald heraus, dass es das ungebremste Wachstum war – ohne das Eigenkapital entsprechend aufzustocken – das DiTech letztlich den Kopf gekostet hat. Dennoch sei es in der damaligen Situation als der richtige Weg erschienen. „Man kann da nicht so leicht auf die Bremse steigen. Die Kosten waren da. Die Nachfrage auch. Also haben wir weitergemacht“, sagt Izdebski. Die Margen seien wegen des Preisverfalls im Elektrohandel und auch wegen der Konkurrenz durch den Onlinehandel immer mehr unter Druck geraten. Umso mehr habe man versucht, den Absatz zu steigern.

Im Jahr 2013 sei dann das Wachstum zwar noch da gewesen, die Finanzierung habe aber nicht mehr mithalten können. „Ich war da sicher naiv, ich habe gedacht, dass das immer so weitergehen wird. Die Banken sind ja 14 Jahre lang den Weg mit uns mitgegangen“, sagt Izdebski.

Den Moment, in dem das Unternehmen noch zu retten gewesen wäre, sieht er ein Jahr vor der Insolvenz: „Spätestens dann hätten wir einen Investor an Bord holen sollen. Mit drei Millionen Euro frischem Kapital hätte man das Ruder herumreißen können.“ Angebote von Investoren habe es immer wieder gegeben, die habe man aber ausgeschlagen. Ein Fehler. Denn als er 2014 dringend einen Investor gesucht hat, um die Sanierung zu finanzieren, habe niemand mehr angebissen.


850.000 Euro Schulden. Izdebski hat versucht, aus seinen Fehlern zu lernen. Dem Handel hat er mit seinem neuen Start-up bewusst den Rücken gekehrt. „Mit einem Dienstleistungsunternehmen kann man schneller einen positiven Cashflow generieren“, sagt er.

„Ein Großteil des Geldes, das er mit seinem neuen Start-up verdienen wird, gehört erst einmal den Banken. In Summe sind es Verbindlichkeiten von 850.000 Euro in Form von persönlichen Haftungen, die Izdebski eingegangen ist und noch zu begleichen hat. „Das wird sicher noch fünf Jahre dauern“, sagt er.

Aber der Unternehmer blickt nach vorn. In einigen Monaten sollen seine neuen Firmen kostendeckend sein. Wenn die erste Filiale von Techbold in Wien gut laufe, sei eine Expansion denkbar. Dem Wachstumsdruck, wie es ihn bei DiTech als Handelsunternehmen gegeben hat, sei er als Dienstleister aber nicht mehr ausgesetzt. Und das ist gut so, meint Izdebski.

(„Die Presse“, Print-Ausgabe, 22.02.2015)